Russlands rechtes Netzwerk
Die Einflussnahme Russlands auf rechte Strukturen in der EU
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Begleitartikel: Zu den Verbindungen Dugins nach Italien: Zum Artikel
Begleitartikel: Wie Dugin seine Fühler nach Deutschland ausstreckt: Zum Artikel
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Worum geht es in dem Bericht?
Es geht um die Vernetzung zwischen russischen Ideologen und Vertretern des Machtapparates einerseits und deren Sympathisanten in der EU andererseits. Der Bericht erfasst systematisch Veranstaltungen und Ereignisse, bei denen entweder ein Austausch der Akteure untereinander (Konferenzen, Parteitage) stattfand oder direkter Einfluss auf den Zuschauer (Vorträge, Diskussionsrunden) ausgeübt wurde. Es werden die Verbindungen zwischen den einzelnen Personen und Organisationen dargestellt, ohne den Rahmen der drei Länder Russland, Deutschland und Italien zu verlassen. Aus der Auflistung von Veranstaltungen geht hervor, dass innerhalb des vorgestellten Netzwerkes ein ständiger Austausch stattfindet. Es wird deutlich, dass Deutschland im Vergleich zu Frankreich, Österreich und Italien hinterherhinkt, was die Möglichkeiten der Einflussnahme des Kremls auf die politische Entscheidungsfindung bzw. öffentliche Meinung in Deutschland angeht. Es ist zu erwarten, dass die Bemühungen weiter intensiviert werden.
Alexander Dugins Freunde in der EU
Italien
Spätestens als der SPIEGEL im letzten Sommer ein Interview mit Alexander Dugin druckte, erlangte der Vorsitzende der „Internationalen Eurasischen Bewegung“ in Deutschland breitere Bekanntheit. Der russische Philosoph ist der Schöpfer der „vierten politischen Theorie“, die eine Alternative zu Liberalismus, Kommunismus und Faschismus sein soll und auf kruden Annahmen basierend für eine multipolare Welt sowie eine komplette Ablehnung westlicher Werte steht. Dugin ist zudem Mitglied des ultrarechten Isborsk-Klubs, zu dessen Mitgliedern mehrere einflussreiche Russen zählen.
Nach der Tragödie von Odessa, bei der am 2. Mai 2014 48 Menschen, mehrheitlich prorussische Aktivisten, starben, ließ er wissen, man müsse die Ukrainer, die für die Tragödie verantwortlich seien, „töten, töten, töten“, was ihn seinen Lehrstuhl für Soziologie der Internationalen Beziehungen an der Soziologischen Fakultät der renommierten Lomonossow-Universität Moskau kostete. Dies mag als Zeichen seines sinkenden Einflusses gewertet werden, doch seine nationalistischen Ansichten finden sich auch in den Reden Wladimir Putins wieder, beispielsweise wenn es darum geht, Russlands Agieren in der Ukraine zu rechtfertigen. Russland werde ethnische Russen auch in anderen Ländern verteidigen. Dazu gehöre auch der Teil der ukrainischen Bevölkerung, der sich der „russischen Welt“ zugehörig fühle. Dugin geht indes noch weiter und setzt sich schon seit den 90-er Jahren für eine „Re-Organisation des ukrainischen Raumes“ ein, da die Ukraine eine Gefahr für „Eurasien“ sei.
Die CIS-EMO
- Was ist die CIS-EMO?
- Wem nützen 'alternative' Schlussfolgerungen?
- Zweifel an der politischen Neutralität
Unterstützer von Dugins Ideen finden sich auch in der EU. Ein Beispiel, das der ukrainische Rechtsextremismus-Forscher Anton Shekhovtsov in seinem Blog aufführt, war bis vor Kurzem die italienische faschistische Organisation „Stato & Potenza“, die sich offen für eine Annexion der Ukraine durch Russland aussprach. Mit der Organisation eng verbandelt war der Direktor des rechten Magazins „Eurasia“, Claudio Mutti. Die beiden kennen sich schon länger: 1991 veröffentlichte Mutti die erste italienische Übersetzung von Dugins Buch „Kontinent Europa“. Im Jahr 2005 ging Dugin auf Italien-Tournee, um für seine „Internationale Eurasische Bewegung“ zu werben, und nahm unter anderem an einer Diskussionsrunde mit Claudio Mutti in Parma sowie einer Pressekonferenz mit Stefano Vernole in Verona teil. Letzter ist heute stellvertretender Direktor des Magazins „Eurasia“, mit der zwielichtigen Wahlbeobachtungsorganisation CIS-EMO verknüpft und unterhält Kontakte zur rechtspopulistischen Partei „Lega Nord“.

Dugin und Mutti in Parma, 2005 (am Tisch links und mittig)

Dugin und Mutti, 2012
9 Jahre später organisierte die faschistische Organisation „Millennium“ einen Vortrag in Räumlichkeiten der Polytechnischen Universität von Mailand. An ihr nahm auch Dugin teil – wenn auch nur live zugeschaltet. Anscheinend liefen die Gespräche hinter den Kulissen so gut, dass im Juni desselben Jahres bekannt wurde, dass Mitglieder von „Millennium“ zur Unterstützung der prorussischen Separatisten nach Donetsk aufgebrochen seien. Die Organisation, die sich – ähnlich der russischen Begriffsumdeutung und entgegen der Einschätzung von Experten – als „antifaschistisch“ bezeichnet, hat es dabei geschafft, diese Auslegung selbst dem staatlichen Nachrichtenkanal „Rai News“ aufzubinden.
In Russland haben Dugin und seine Mitstreiter aus der „Internationalen Eurasischen Bewegung“ und des Isborsk-Klubs durchaus Einfluss auf die Machtelite. Folgt man Dugins Spuren nach Italien, so ist es die „Lega Nord“, die den Kreis nach Moskau wieder schließt.
Am 4. Juli 2014 nahm Dugin in Mailand an einer Diskussionsrunde teil, die den Titel „Die eurasische Herausforderung Russlands“ trug. Organisator war die Vereinigung „Associazione Culturale Lombardia-Russia”, die nach eigener Angabe die Vision Wladimir Putins teilt, die dieser auf dem Valdai-Forum 2013 verkündet hat, und die sich in den drei Begriffen Identität, Souveränität und Tradition zusammenfassen lassen soll. Präsident der Vereinigung ist der Journalist Gianluca Savoini, der gleichzeitig auch Sprecher des EU-Parlamentsabgeordneten und Vorsitzenden der „Lega Nord“, Matteo Salvini, ist. Verantwortlicher Projektmanager ist Claudio D’Amico, von 2008 bis 2013 Abgeordneterdes italienischen Parlaments von der „Lega Nord“ und einer von drei Italienern, die aufder Krim als Beobachter fungierten. Zu dem „Lega Nord“-Parteitag am 15. Dezember 2013 kamen der Duma-Abgeordnete Wiktor Subarjow von der regierungstreuen Partei „Einiges Russland“ sowie Alexej Komow,Russland- und GUS-Botschafter des Weltkongresses der Familie bei der UN, aus Russland nach Turin.
Ende Januar 2014 veröffentlichte die katholisch-konservative Vereinigung „La Torre“ auf ihrer Website die Übersetzung eines Interviews mit Dugin, das von Manuel Ochsenreiter geführt wurde. Ochsenreiter ist Chef-Redakteur der rechten Zeitschrift „Zuerst!“ und international bestens vernetzt. Das gegenseitige Crossposten und Übersetzen von Texten veranschaulicht gut das inzwischen europaweite Netzwerk rechter Dugin-Sympathisanten und zieht eine Spur auch nach Deutschland.
Deutschland
Der 1976 geborene Ochsenreiter ist Journalist und war von 2004 bis 2011 Chefredakteur der „Deutschen Militärzeitschrift“. Seit 2011 ist er Chefredakteur der Monatszeitschrift „Zuerst!“, für die er nach eigenen Angaben das „Referendum“ auf der Krim beobachtet hat. Auf seinem persönlichen Blog bietet er eine Plattform für Rechtspopulisten wie Johann Gudenus (FPÖ) oder eben auch Alexander Dugin. Als Ochsenreiter vom 06. bis 07. März 2015 ein „Zuerst!“-Lesertreffen veranstaltete, schaltete er auch Dugin live zu.

Manuel Ochsenreiter (rechts) im Gespräch mit Alexander Dugin
Dugin und Ochsenreiter kennen sich schon seit einigen Jahren, 2013 nahmen beide an der Konferenz „Russland und Europa: Ein Dialog des Widerstands“ teil, die in Moskau abgehalten wurde. Ochsenreiter richtete eine Videobotschaft an die anderen rechtsextremen Teilnehmer, unter denen sich auch Max Gnerre von der italienischen faschistischen Organisation „Millenium“ befand.
Die EODE
- Als was sieht sich die EODE?
- Über den Gründer
- Das 'Referendum' auf der Krim
Am 2. November 2014 reiste Ochsenreiter in die Ostukraine, um die „Wahlen“ in den selbsternannten Volksrepubliken Donetsk und Luhansk zu beobachten. Hier soll die „Eurasian Observatory for Democracy and Elections“ (EODE) (s. Infobox) als Organisator aufgetreten sein, gemeinsam mit dem „European Centre for Geopolitical Analysis“ (ECGA). Ochsenreiter lobte die Organisation der „Wahlen“, die seiner Meinung nach internationalen Standards entsprach.

Manuel Ochsenreiter (vorne links) auf der Konferenz „Paris – Berlin – Moscow – Belgrade: New Agreement in Europe“ in Belgrad im Oktober 2014

Markus Frohnmaier auf der Konferenz „Paris – Berlin – Moscow – Belgrade: New Agreement in Europe“ in Belgrad im Oktober 2014
Am Wochenende vom 11./12. Mai 2015 war Manuel Ochsenreiter neben Markus Frohnmaier Teil der deutschen Delegation, die an der Konferenz „Donbass: Gestern, Heute und Morgen“ in Donetsk teilnahm. Frohnmaier ist der baden-württembergische Landesvorsitzende der „Jungen Alternative“, der Jugendorganisation der AfD. Im Oktober 2014 besuchten beide eine Konferenz mit dem Titel „Paris –Berlin – Moscow – Belgrade: New Agreement in Europe“ in Belgrad, was Fotos auf dem Facebook-Profil von Frohnmaier belegen.
Noch ein Vertreter der AfD taucht im Zusammenhang mit der Krim auf: AfD-Vize Alexander Gauland. In dem gehackten Postfach von Georgi Gawrisch, der zum engeren Kreis des neo-eurasischen Ideologen Alexander Dugin gehört, finden sich im Anhang einer E-Mail vom 22. August 2014 mehrere Word-Dokumente, die die Konferenz mit dem Titel „Russland, Russland, Noworossija: Globale Probleme und Herausforderungen“ beschreiben, die vom 28. bis zum 31. August 2014 stattfand. Unter den Delegierten, die laut Beschreibung an der Arbeit des Forums in Jalta teilnehmen sollten, finden sich Namen rechtsextremer und rechtspopulistischer Politiker aus ganz Europa. Als einziger deutscher Delegierter ist dort Alexander Gauland aufgeführt. Auf Anfrage von „Politik in Gesellschaft“ (PiG) wies der Pressesprecher des AfD-Landesverbandes Brandenburg jegliche Beziehung zu dem Forum jedoch zurück. Gauland sei zu diesem Zeitpunkt im Wahlkampf gewesen, auch eine Einladung habe nicht vorgelegen. Aus den geleakten E-Mails wurden unter anderem die Verbindungen von Dugin nach Griechenland aufgedeckt.

Alexander Dugins Vortrag bei der Normannia Bielefeld Burschenschaft Oktober 2013
Auch wenn Ochsenreiter der offensichtlich verlässlichste Partner Dugins in Deutschland ist, gibt es noch weitere Sympathisanten des russischen Ideologen. Auf Einladung der Bielefelder Burschenschaft Normannia‐Nibelungen hielt Dugin im Oktober 2013 einen Vortrag über die deutsche Geopolitik. In Anbetracht der Durchsetzung der AfD durch Burschenschaftler, der Sympathie des nationalkonservativen Flügels der AfD um Gauland und Sachsens AfD-Landeschefin Frauke Petry zu Russlands derzeitiger Führung und zahlreicher Treffen von Burschenschaftlern und AfD-Politikern mit Vertretern der Russischen Botschaft, besteht ernste Sorge dass Russland auf die deutsche Politik Einfluss nimmt.

Natalia Narotschnitskaja (links) und Wladimir Jakunin (rechts) auf der „Compact“-„Friedenskonferenz“ 2015. Foto von Michael Jeinsen.
Ein weiteres Bindeglied zwischen der AfD und Dugin ist Natalia Narotschniskaja, die wie Dugin Mitglied im ultrarechten Isborsk-Klub ist. Die ehemalige Abgeordnete der Russischen Staatsduma (2003 – 2007) von der nationalistischen Partei „Rodina“ ist Institutsleiterin des Pariser „Institut de la Démocratie et de la Coopération“ (IDC), das die Lage der Menschenrechte in westlichen Staaten beobachten soll und ausschließlich von russischen Geldern finanziert wird. Tatsächlich beschäftigt sich das Institut mit anderen Dingen: Das IDC tritt als Kooperationspartner der von dem rechtspopulistischen Magazin „Compact“ organisierten Konferenzen. Hier traf Petry auf Narotschnitskaja und die Autorin des russischen Gesetzes gegen Homo-„Propaganda“, Elena Misulina. Ein Jahr später traf Gauland auf einer ähnlichen Konferenz auf Wladimir Jakunin, den unter Korruptionsverdacht stehenden Chef der Russischen Eisenbahn, der außerdem mehreren religiös-konservativen Stiftungen vorsitzt und als Vertrauter Wladimir Putins gilt.
Erfahren Sie mehr über die Einflussnahme Russlands auf rechte Strukturen in der EU in dem dazugehörigen Bericht (PDF, 1.75 MB).